Gedanken zum Werk von Susanne Müller-Kölmel von Alexandra Grass | 2015
„Ja, ich glaube an Zauberei!“, sagt die Künstlerin. Der Begriff Zauber, der Romantik entnommen, kann bei Susanne Müller-Kölmel als Ausdruck eines tiefen Optimismus verstanden werden. Gleichwohl zeigen ihre Bilder eine Welt, die veränderlich ist. Es sind Reflexionen auf ihre Lebenswelt. Sie beschreibt sich selbst als „Sammlerin ihrer Gedanken“. Seit sie denken kann, hat sie Tagebuch geschrieben, gezeichnet, geklebt und später auch fotografiert, um zu verstehen und zu bewahren. (…) Susanne Müller-Kölmels ungewöhnliche Blickwinkel rücken in ihrer Eindringlichkeit den Kern der Aufmerksamkeit auf verborgene Dinge. Durch die Reduktion der Bildaussage, durch Anschnitte und Begrenzungen, erfährt der Betrachter Augenblicke von nahezu geschützter Privatheit. Virtuos erhöht die Malerin Alltagsgegenstände und gibt ihnen eine eigene Identität und Symbolhaftigkeit.
Die Bilder zu persönlichen Erlebnissen, privaten Momenten und Stimmungen sind deshalb so einnehmend, weil sie gleichzeitig auf die Künstlerin bezogen und doch allgemein gültig sind. Susanne Müller-Kölmel ist eine jener seltenen Künstlerinnen, für die der geistige Aspekt des künstlerischen Schaffens genau so anstrengend, kompromisslos und fordernd ist, wie das Malen selbst.
Durch den expliziten Hinweis auf Aristoteles’ „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“(2), dem verkürzten Zitat aus der Metaphysik, gewährt sie einen Einblick in ihre Geisteshaltung.
Folglich ist es konsequent, dass Müller-Kölmel seit 2010 ein einzigartiges Künstlertagebuch führt, in dem jeder Tag zeichnerisch festgehalten wird. Es ist ein so genanntes „work in progress“, angelegt auf zehn Jahre. Die Aufzeichnungen wechseln zwischen zeichnerisch skizzierten persönlichen Sichtweisen, Gedanken, Erlebnissen und Verfahrensweisen der Künstlerin. Memorial Book nennt Susanne Müller-Kölmel diese je 438 cm langen, gefalteten Papierstreifen. Wird am Ende des Jahres das Memorial Book entfaltet, offenbart sich kein Mosaik, sondern ein einheitliches Ganzes von Formen und Farben, das den Betrachter auf eine Zeitreise in die Gedankenwelt der Künstlerin führt. Derart entsteht das „wahre Kunstwerk“ und wird „(…) zu einem geistig atmenden Subjekt (…). Kandinsky, Wassily: Über das Geistige in der Kunst. Insbesondere in der Malerei, Bern 2009. S. 136.
Susanne Müller-Kölmel erforscht die tiefer liegenden Strukturen und Verhältnisse ihrer Umgebung und lässt keinen Zweifel daran, dass in einer Welt, die durch Veränderungen geprägt ist, nichts so bleiben kann, wie es gestern war. So wecken ihre Bilder Emotionen, die den Betrachter drängen, sich zu fragen, inwiefern die Ideen dieser außergewöhnlichen Malerin mit den eigenen Gedanken über das Leben korrespondieren. (Textauszug)